Einleitung - Theorie zum Juleica-Baustein Medien: Unterschied zwischen den Versionen

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== Themenbereich III - Medienwirkung ==
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==Themenbereich IV: Mediennutzung in der Jugendarbeit – Aktive Medienarbeit==
==Themenbereich IV: Mediennutzung in der Jugendarbeit – Aktive Medienarbeit==

Version vom 27. Februar 2020, 13:25 Uhr

Der Begriff Medienkompetenz ist schon seit Jahren in aller Munde, sie wird von Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern gefordert. Gleichwohl sind die Anforderungen an die erfolgreiche Vermittlung von Medienkompetenz keine geringen: Kinder und Jugendliche sollen mit Medien umgehen können, sie sollen sich selbstständig informieren, die Informationen auswerten und in Wissen umwandeln können. Sie sollen durch Bildschirm-Medien vermittelte Inhalte kritisch bewerten können und sie sollen bestenfalls auch noch selbst gestalterisch tätig werden können. Wichtige Instanzen bei der Vermittlung dieser Anwendungs-, Kommunikations- und Bewertungskompetenz sind, neben Eltern und Schulen, auch die Einrichtungen der Jugendarbeit und damit eben auch die der verbandlichen Jugendarbeit.

Medienbildung und somit die Vermittlung von Medienkompetenz ist Teil einer lebensweltbezogenen Jugendarbeit. Die Jugendverbände in Baden-Württemberg haben dem Rechnung getragen, als sie in der seit 2009 geltenden Selbstverpflichtung “Standards in der JugendleiterInnen-Ausbildung” den Themenbereich „Arbeit mit und Wirkung von Medien“ aufnahmen. Mit diesem Heft “Juleica-Baustein Medien” wollen wir die KursleiterInnen ermutigen, praktische Medienarbeit, sei es einzeln oder in Verbindung mit anderen Inhalten, in die Juleica-Schulungen aufzunehmen.

In diesem Einleitungsteil werden Inhalte und Relevanz der vier, in den Qualitätsstandards der Juleica-Ausbildung benannten Themenbereiche „Mediennutzung“, „gesellschaftliche Herausforderungen“, „Medienwirkung“ und „Medieneinsatz in der Jugendarbeit“ verdeutlicht.

Themenbereich I – Eigene, sinnvolle Mediennutzung

Die Zielgruppe der Juleica-Ausbildung sind ehrenamtliche MitarbeiterInnen in der Jugend(verbands)arbeit. Zur eigenen Mediennutzung und Anleitung der betreffenden Personen (Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene) benötigen sie entsprechende Kenntnisse über einzelne Medien und Medieninhalte (vgl. auch Juleica-Standards[1]). Durch erlangte Kenntnisse von Technik und deren Anwendung sollen dann Medien für die eigene Lebensführung eingesetzt und genutzt werden können. Aus pädagogischer Sicht besteht der Anspruch, dass dies „kompetent“, „sinnvoll“ und „angemessen“ geschehen soll. Aber klingt das nicht etwas langweilig?

Kinder und Jugendliche gehen mit neuen Technologien spielerischer und selbstverständlicher um, als es Erwachsene tun. Dies trifft auch auf den Medienbereich zu. Somit wäre es für die erwachsenen MitarbeiterInnen empfehlenswert, nicht nur ausschließlich pädagogisch verkopft den Medien zu begegnen, sondern vielmehr unvoreingenommen und entdeckend. Durch neue technologische Entwicklungen wird die Medienvielfalt regelmäßig vermehrt. Bei der Knappheit der Ressource „Zeit“ steht jede einzelne Person vor der Herausforderung, den verschiedenen analogen Medien und digitalen Medien offline und online einen angemessenen Zeitrahmen im Alltag zu geben. Der Nutzungstrend geht zum Bewegtbild (Erklärvideo statt geschriebener Text), doch sollte auch ausreichend Zeit für Leseprodukte bleiben, damit die einmal erworbene Lesekompetenz nicht verlorengehen.

Mit welcher Aufmerksamkeitsspanne nutze ich das Medium?

Als Einschalt- oder nur Nebenbei-Medium (z. B. Radio hören oder eine Radiosendung komplett hören)? Kinder lernen durch Nachahmen. So haben sie bereits das „Zappen“ durch die Fernsehprogramme von den Eltern übernommen. Die vermehrt kürzere Verweildauer an einem Angebot (die Werbepause wird schon herbeigesehnt?) macht sich auch durch die kurzen Youtube-Videos und immer kürzeren Online-Artikel bemerkbar. Das umfangreiche bzw. immer unüberschaubarere Medienangebot sollte jedenfalls nicht in schädlicher Weise genutzt werden (Stichwort „Jugendmedienschutz). Kinder und Jugendliche nutzen auch im erheblichen Umfang Medienangebote mit, die für Erwachsene bestimmt sind. Dabei können einzelne Medienangebote eine Gefährdung und Beeinträchtigung für die Entwicklung der Heranwachsenden darstellen.

Die Einteilung der Medienangebote in Altersfreigaben kann eine Orientierung sein, jedoch sollte ein Kind nach seinem persönlichen Entwicklungsstand gefördert werden. Möglicherweise wäre es sinnvoll, den gemeinsamen Medienkonsum in der Familie wieder attraktiv zu machen und das Alleinenutzen eines Mediums zu dosieren. Dadurch bleibt auch der persönliche Kontakt zu Familie und Freunden wichtig, mit denen man sich anschließend über das Medienerlebnis unterhält.

Wie wichtig ist Qualität für den Mediennutzer?

Die Medienanbieter entwickeln neben den kostenlosen Angeboten zusätzliche Bezahlangebote. Hier gilt es zu beobachten, ob die Qualitätsprodukte der Anbieter dann weiterhin für eine Vielzahl von Nutzern zugänglich bleiben, oder zumindest für den Nutzerpersonenkreis, der diese Produkte derzeit (noch) nutzt.


Themenbereich II - Gesellschaftliche Herausforderungen

Der rasante technologische Wandel brachte neue Dienste, Angebote und Endgeräte mit sich und wirkt in alle Lebensbereiche hinein. Diese Entwicklungen fordern Politik, Gesellschaft und Bildung heraus, sich den neuen Herausforderungen der Mediengesellschaft zu stellen.

Rasanter Anstieg der Medienverfügbarkeit

Digitale Medien sind aus dem Alltag junger Menschen nicht mehr wegzudenken, der Anteil Jugendlicher mit eigenem Fernseher, Spielekonsole und MP3-Player steigt stetig. Innerhalb weniger Jahre verfügt die Mehrheit aller Familien über PC und Zugang zum Internet, den Jugendliche mitnutzen. Jugendliche besitzen eigene Handys und Smartphones[2], womit sie das Internet zeit- und ortsunabhängig nutzen können. Dies geht einher mit dem Wandel von Nutzungsgewohnheiten: sie spielen, informieren und vernetzen sich online, kommunizieren via Handy mit der Peergroup oder teilen ihr Wissen.

Vom User zum Producer

Radio und Fernsehen beruhten auf dem Sender-Empfänger-Modell und one-to-many-Prinzip. Mit dem Internet und insbesondere mit Social Media ist die Voraussetzung geschaffen, dass potenziell alle, die über entsprechende Kenntnisse verfügen, zum Sender werden können. Mit dem kostenlosen Zugang zu Social Media-Anwendungen bzw. Sozialen Netzwerken besteht erstmals die Chance, selbst in kurzer Zeit Sender und sogar Produzent von Botschaften an viele Empfänger zu sein. Das Verbreitungsprinzip many-to-many birgt für Jugendliche enorme Potenziale und sie nutzen dies mit Gleichaltrigen als neue Bühne, Sozial-, Kommunikations- oder Spielraum. Dies stellt sie jedoch gleichzeitig vor neue formale, rechtliche oder ethische Fragen, wie z.B. Urheberschutzgesetz, Jugendschutz (USK, FSK), Privatsphärenschutz oder den Umgang mit fremdenfeindlichen oder sexistischen Inhalten. Denn nicht alles was geht ist auch erlaubt.

Rollenwandel vom Lehrenden zum Lernenden

Mit dem digitalen Wandel geht einher, dass ausgebildete PädagogInnen nicht mehr zwangsläufig das Expertenwissen im Bereich Medien haben. Die konvergenten Medienwelten sind ein selbstverständlicher Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und sie unterscheiden nicht mehr zwischen virtuellen und realen Welten oder Beziehungen. Für sie ist das Internet ein erweiterter Lebensraum, den sie selbstverständlich für ihre Anliegen und Bedürfnisse nutzen.

Die Medienbiografien von Erwachsenen und Kindern unterscheiden sich inzwischen hinsichtlich ihrer Mediennutzungsgewohnheiten und -erfahrungen immens. Erziehende können nicht mehr auf eigene Erfahrungen mit Medien als Grundlage für Erziehungshandeln zurückgreifen. Pädagog*innen sind gefragt sich Medienkompetenz anzueignen, um dem Prinzip der Lebensweltorientierung ihrer Angebote gerecht zu werden und Jugendliche bei ihren Lern- und Entwicklungsaufgaben zu unterstützen und zu begleiten. Jugendliche haben oftmals mehr Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit digitalen und mobilen Medien als Erwachsene. Jedoch ist das Anwendungswissen nicht immer gleichzusetzen mit einem selbstbestimmten, reflektierten Umgang mit Medien. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, an den Ressourcen von Kinder und Jugendlichen anzuknüpfen, ihnen zu vermitteln dass ihr Expertentum wahrgenommen wird. Erst dadurch wird empowerment wirksam.

Chancen und Herausforderungen

Für die Jugendarbeit bietet der digitale Wandel zahlreiche Chancen, Jugendgruppen und Verbände transparent und offen anzulegen und Kindern und Jugendlichen direkte Mitwirkung zu ermöglichen. Welche Chancen und Gefahren sind mit dem Benutzen von digitalen Medien aber verbunden? Wie kann Medienkompetenz im Rahmen der Jugendarbeit gefördert und gestärkt werden?

Die Prinzipien der Jugendarbeit bieten über aktive handlungsorientierte Medienarbeit Chancen zum Erfahrungslernen, das Teilhabe, Meinungsbildung und Mitwirkung betrifft. Medienprojekte bieten Entwicklungschancen für Partizipation, Engagement und Gestaltung und Persönlichkeitsentwicklung. Herausforderungen und Spannungsfelder der Medienentwicklung gilt es zu berücksichtigen und über Medienkompetenzangebote zu thematisieren und zu bearbeiten.

Neben den Chancen gibt es auch Gefahren, über die es zu informieren, in der Gruppe zu diskutieren oder gemeinsame Regeln auszuhandeln gilt: Exzessive Mediennutzung bis hin zur Sucht, Cybermobbing, Datenmissbrauch oder sexuelle Übergriffe. Relevante Themen sind außerdem Datenschutz, Werbung im Netz und Schutz der Privatsphäre. Wichtig ist, Jugendliche zu befähigen, Inhalte kritisch zu beurteilen, mögliche Gefahren zu erkennen damit sie wissen, wie sie sich davor schützen können[1]. Jugendleiter*innen können eine bedeutende Begleitfunktion als vertrauensvolle Bezugspersonen und interessierte Lernende übernehmen.

Themenbereich III - Medienwirkung

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Themenbereich IV: Mediennutzung in der Jugendarbeit – Aktive Medienarbeit

Aktuelle Studien belegen, dass regelmäßige Mediennutzung eine Selbstverständlichkeit für viele Jugendliche ist.[3] Sie bietet jungen Menschen die Chance umfassender Information und Bildung. Mehr noch: Mediennutzung ist Voraussetzung für demokratische Teilhabe. Und das gilt besonders, seit Inhalte im Web 2.0 zur Alltagskommunikation gehören. Medienbildung war zwar schon vorher wichtig, aber gerade vor dem Hintergrund gesteigerter Sichtbarkeit der NutzerInnen, z.B. in social networks oder durch social plugins, müssen Kinder und Jugendliche lernen Medien kritisch zu bewerten und die eigene Nutzung zu reflektieren. Dazu gehört auch, die Erstellung eigener Inhalte nicht nur zu hinterfragen, sondern auch zu trainieren um so mehr Sicherheit in der Anwendung zu haben.

Besonders außerschulische Jugendbildung, z.B. in der verbandlichen Jugendarbeit, bietet da einen Raum zum zwanglosen Ausprobieren und Herumexperimentieren. Das beschränkt sich nicht nur auf die Mediennutzung, also sich Inhalte zu erschließen, sondern umfasst auch das Herstellen von Inhalten, z.B. von Videos, Fotos und Musik. Haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Jugend(verbands-)arbeit sind daher auch, neben Lehrer*innen und Eltern, wichtige Personen bei der Vermittlung von Medienkompetenz. Doch wie sieht eine aktive und kreative Medienarbeit mit jungen Menschen aus? Und in welchem Rahmen kann sie stattfinden?

Bildungsarbeit ist Medienarbeit

Aktive Medienarbeit heißt nichts anderes, als handlungsorientiert vorzugehen. Kinder und Jugendliche sollen sich selbstbestimmt die verschiedene Bereiche der Lebenswelt mittels verschiedener Medien erarbeiten und die daraus gewonnen Erkenntnisse anwenden können. Die weitestgehend selbstständige Nutzung, Bewertung und auch Herstellung von Medien, wie Text, Foto, Audio, Video und den verschiedenen Kombinationen in Multimedia- und Internetangeboten, steht daher bei Aktiver Medienarbeit im Vordergrund. Durch Medienprojekte in Jugendgruppen, in denen Informationen gesammelt und aufgearbeitet werden, Pläne gemacht und begründet werden müssen und Teamarbeit im Vordergrund steht, werden nicht nur kognitive, sondern auch soziale Kompetenzen geschult. Das Zusammenspiel von Reflexionskompetenz, Anwendungskompetenz und, in einem dritten Schritt, Kommunikationskompetenz in der Aktiven Medienarbeit ist essenziell dafür, junge Menschen zu selbstbestimmten und eigenverantwortlich handelnden Individuen zu erziehen.

Das Ergebnis sind die Fähigkeiten, durch Medien (vermittelte) Einstellungen, Verhaltens- und Handlungsweisen zu reflektieren, sich neue Themen zu erschließen, diesen eine Stimme zu verleihen und (Gegen-)Öffentlichkeit herzustellen. Medien unterstützen auch den zeitlich und örtlich ungebundenen Austausch und helfen, gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. Aber auch die Analyse und Kritik massenmedialer Produkte ist eine Kompetenz, die durch erfolgreiche Medienbildung geschult wird: wer weiß, dass der Zauberer Tricks anwendet, lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen. Und wer die Tricks kennt, kann selbst mitzaubern.

Interaktiv und mitten im Leben

Als Methode handlungsorientierter Medienpädagogik sollte Aktive Medienarbeit vor allem interaktiv sein, so dass das Lernen aus der Auseinandersetzung mit den Medieninhalten bzw. der Aufarbeitung von Inhalten durch Medien erfolgen kann. Und Medienarbeit lässt sich mit vielen lebensweltnahen Themen verknüpfen – dadurch werden verschiedene Recherchemethoden online und offline eingesetzt, eine kritische Informationsauswahl getroffen und die kreative Umsetzung geübt. Beispiele dafür, wie Jugendliche dazu motiviert werden, sich aktiv-schaffend mit verschiedenen Medien auseinanderzusetzen, lassen sich auch aus dieser Arbeitshilfe ableiten.

Dazu gibt es noch weitere Anreize, sich kreativ mit Hilfe von Medien mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Zum Beispiel ermutigen zahlreiche Aktionen und Wettbewerbe im außerschulischen Bereich dazu, sich gemeinsam an die Medienproduktion zu machen: durch Poetry-Slams oder Film- und Medienpreise wie dem Deutschen Multimediapreis MB21 werden Kinder und Jugendliche dazu aufgefordert, sich ein bestimmtes Thema und/oder eine bestimmte Technik selbstständig anzueignen. Eine Übersicht gibt es am Ende dieses Heftes.

Die größte Herausforderung für die Jugendleiter*innen besteht nun darin, sich selbst mit den hier angesprochenen Themen auseinanderzusetzen und Medienprojekte zu starten.

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 Vereinbarung zu den Standards der JugendleiterInnen-Ausbildung in Baden-Württemberg zur Erlangung der Juleica. Beschlossen von der Vollversammlung am 25. April 2009. Thema 5.3.1. (Seite 15)
  2. JIM-Studie 2012, Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
  3. z.B. JIM-Studie 2012, Shell Jugendstudie 2010 und Expertisen (z.B. Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“: Medien­kompetenz, 2011)

Literatur

Schell, Fred (2005): “Aktive Medienarbeit” in: Hüther/Schorb (Hg): Grundbegriffe Medienpädagogik. kopaed, 4. Aufl.

Lutz, Klaus (2006): “Medien Bilden – Aktive Medienarbeit als Methode der Bildungsarbeit” in: Medienpädagogisches Netz • www.lernende-regionen.de, online unter http://www.parabol.de/parabol/dateien/MPN_Medien_bilden.pdf (zuletzt aufgerufen am 30.10.2013)